Das Redboat Training ist zugleich eine Übung des täglichen Lebens. In einem geschützen Umfeld erwirbt das Kind spielerisch körperliche Kompetenzen und Strategien, die sich später auf seinen Geist übertragen. Kung Fu ist ein hervorragendes Medium um Kinder zu erreichen. Im Gegensatz zu Mannschaftssportarten gehen Erfolgs- oder Misserfolgserlebnisse immer auf das Konto des Übenden. Schuldzuweisungen finden hier keinen Platz. Beim Kung Fu soll nicht gegeneinander, sondern miteinander trainiert werden. Nur im Umgang miteinander können die verschiedenen Lehrinhalte erfasst und behalten werden. Der Trainingspartner hilft die eigene Technik zu verbessern. Dadurch entsteht ein Miteinander und kein Gegeneinander. Das Wetteifern mit anderen ist ein für die Kinder wichtiger, aus den Kampfkünsten nicht wegzudenkender Trainingsinhalt. Fast alle Kinder fangen eine Kampfkunst aus einem sehr einfachen Grund an: Sie wollen sich wehren können und versprechen sich durch das Üben von Kung Fu unbesiegbar zu werden. Filmhelden, wie Bruce Lee oder Jackie Chan sind Idole denen nachgeeifert wird. Viele Eltern und Kinder kommen daher oft mit einem völlig falschen Bild über Kampfkünste ins Dojo. Diesem, von Medien und der Öffentlichkeit verfälschten Bild, möchten wir mit dieser Arbeit entgegenwirken.
Einige Kinder haben anfangs Schwierigkeiten mit dem Anerkennen von Regeln und festen Verhaltensritualen. Deshalb entwarfen wir zusammen eine Reihe von Regeln an die sich jede/r halten muss. Die Vorgaben halten sich in Grenzen, um die Kinder selbständig über Sinn- oder Unsinn gemachter Vorschläge entscheiden zu lassen. Wichtig bei der Formulierung ist es den Wortlaut der Kinder zu übernehmen. Durch die Tatsache, dass die Regeln von den Kindern selbst eingebracht werden, können sie sich mit diesen identifizieren. Es zeigt sich, dass die Kinder auch neuen Schüler/innen "ihre" Regeln erklären - und diese auch vehement durchsetzen.
Da gerade die chinesische Kampfkunst Redboat Wing Chun von Erfahrungen lebt bei denen das Kind die Möglichkeit hat sich selbst, das heisst, eigene Erfahrungen, Stärken und Schwächen zu überprüfen, eignet sie sich besonders für die Vermittlung an junge Menschen. Es ist nicht möglich Übungen "halbherzig" zu machen, da ansonsten der gewünschte Erfolg ausbleibt. Kinder sind, oft durch schlechtes Vorbild, nicht gewohnt eine "Bewegung um der Bewegung selbst willen auszuführen" ohne eine "Belohnung" dafür zu erhalten. Es ist ein Trend festellbar, das Kinder den Spaß am "unmittelbaren Tun" verlernen wenn sie "nur bei Entlohnung" funktionieren.
Dagegen soll Redboat Wing Chun den Kern der Freude an Bewegung wieder erlebbar machen. Das lustvolle Erleben des Trainings und die Erweiterung körperlicher Fähigkeiten ist Belohnung genug. Diese sind unter anderem: geschärfte motorische Fähigkeiten, Experimentierfreude, Verbessern des allgemeinen Leistungsniveaus, Orientierung und Koordination im Raum, Entwicklung von Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Kommunikationsfertigkeiten und das Erleben der eigenen Selbstwirksamkeit.
Die Übung wird in diesem Zusammenhang nicht primär zum Erwerb eines besonderen Könnens betrachtet, sondern um eine innere Wandlung des Menschen zu erreichen. Übung ist der einzige Weg, auf dem der Mensch durch eigene Anstrengung zur inneren Freiheit gelangen kann.
Das unbewusste Verständnis des Kindes wird behutsam zu einer inneren Haltung aufgebaut, die nicht nur der Kampfkunst gerecht wird, sondern ihm auch ausserhalb des Trainings gute Dienste leistet.
Von den Eltern unserer Kinder wissen wir, dass das Training einen ganzheitlichen positiven Einfluss hat und sich unter anderem in guten schulischen Leistungen niederschlägt, da das Kind sich daran gewöhnt "stetig zu üben" und ein Sog erzeugt wird an sich und seinen Fertigkeiten arbeiten zu wollen.
Text: Sifu Jörg Weidner